
Eigentlich ist er der verschmuste Star der Familie. Doch beim Fototermin mit unserer Zeitung lässt sich Kater Karli nur mit einem Leckerchen aus seinem Versteck hinter der Gardine locken. Das Tier ist verängstigt, hat Schmerzen und das hat seinen Grund: Karli wurde angeschossen. Am Donnerstagmorgen (9.9.) wurde ein Luftgewehr-Projektil aus seinem Bauch entfernt.
Nadine und Marco Netz und ihre Kinder Noah (9) und Jona (6) sind noch immer fassungslos und fragen sich, wer ihrem Karli das angetan hat. Der getigerte Kater gehört seit drei Jahren zur Familie und ist seit zwei Jahren Freigänger. Nach seiner nächtlichen Tour steht er immer morgens um halb sechs pünktlich vor der Tür am Einfamilienhaus an der Graf-von-Galen-Straße 3.

So auch am Donnerstag. „Ich habe sofort an seinem Gangbild gesehen, dass etwas nicht stimmt und dann die Blutspuren an seinem weißen Bauchfell entdeckt“, erinnert sich Nadine Netz. Erst habe sie an eine Rauferei unter Katzen gedacht, sagt die Scherlebeckerin. Als sie jedoch einen Knubbel unterm Fell des Katers ertastete, schwante der Scherlebeckerin Böses.
Familie erstattet Anzeige gegen Unbekannt
Bei der Tierärztin bestätigte sich der Verdacht. Das Luftgewehr-Projektil wurde herausoperiert, die Wunde wegen der Infektionsgefahr mit einem Antibiotikum versorgt, der Kater erhielt ein Schmerzmittel. „Das hätte auch anders ausgehen können, wenn Organe betroffen gewesen wären.“ Zurück zu Hause erstattete Nadine Netz sofort Anzeige gegen Unbekannt bei der Polizei und fragte per Facebook nach möglichen Augenzeugen.
Schuss in unmittelbarer Nähe gehört
Ihr Mann Marco ist inzwischen sicher, in unmittelbarer Nähe in der Nacht einen Schuss gehört zu haben. „Erst dachte ich, ich hätte das geträumt. Wir wohnen in einer sehr ruhigen Gegend, fast alle Nachbarn haben Tiere: Katzen, Hunde, Kaninchen… Es gibt hier viele streunende Katzen.“ Bisher sei noch nie etwas passiert, betont Nadine Netz. Der Schock sitze auch deswegen bei allen Familienmitgliedern tief.

Zufall oder nicht, eine Freundin, die einige Straßen weiter wohne, habe vor zwei Tagen plötzlich eine geöffnete Futterbox vor ihrer Haustür gefunden. „Da sie nichts für ihren Hund bestellt hatte, hat sie das Paket sofort entsorgt und nicht verfüttert. Von vergifteten Ködern hört man ja schließlich häufig.“
Polizei hofft auf Augenzeugen
Polizei-Pressesprecher Andreas Lesch bekommt immer wieder ähnliche Fälle von Tierquälerei auf den Tisch. Erst am Donnerstag wurde in Castrop-Rauxel ein Hund von unbekannten Tätern ertränkt.
„Wenn die Taten zur Anzeige kommen, ermitteln wir natürlich auch, sind jedoch auf Augenzeugen angewiesen.“ Wer Tiere quält, verstoße gegen das Tierschutzgesetz. Und, auch wenn Tierfreunde das nicht gerne hören, liege strafrechtlich eine Sachbeschädigung vor.
Am Freitagnachmittag steht Karli immer noch unter Schmerzmittel. Meist zieht er sich zurück, flüchtet vor Findus und Krümel, den beiden Kitten, die neben Golden Retriever Nele auch zur Familie Netz gehören und nicht verstehen, warum ihr Kumpel Karli plötzlich so stoffelig ist.
„Er braucht jetzt viele Streicheleinheiten und bleibt wie die Tiere der Nachbarn vorerst im Haus“, sagt Nadine Netz. Für nachtaktive Tiere sei das allerdings kein Dauerzustand. Deshalb hofft die Familie, dass der Tierquäler gefunden und für seine grausame Tat zur Rechenschaft gezogen wird.
Augenzeugen, die etwas gesehen oder gehört haben und sich zu dem Vorfall in Scherlebeck äußern möchten, werden gebeten, sich bei der Polizei in Recklinghausen zu melden: Telefon 0800/2361111.
Auch Marlene Steltner-Lange vom Verein Aktiver Tierschutz, Katzenhilfe Recklinghausen/Herten, hört regelmäßig von angeschossenen Tieren. „Das passiert leider immer wieder. Ich hatte schon eine Katze mit einer ganzen Schrotladung in ihrem Körper. Bei einem Kater musste sogar ein Bein amputiert werden.“ Die Tier-Aktivistin rät Betroffenen dringend, Anzeige zu erstatten, um den Tierquälern auf die Schliche zu kommen. Gerade jetzt in der Epidemie gebe es viele herumstreunende Katzen, die in der Langeweile des Lockdowns angeschafft und später ausgesetzt wurden. Erst vor 14 Tagen habe sie in Herten vier Mutterkatzen mit 23 Kitten eingefangen. „Der Verein hatte im letzten Monat allein 13.000 Euro Tierarztkosten. Wir finden keine Pflegestellen und laufen am Limit.“ In diesem Zusammenhang erinnert die Tier-Aktivistin erneut an ihre Forderung der Kastrationspflicht in Herten.