
In der Hertener SPD-Zentrale heißt es am Wahlabend schon gegen 18.40 Uhr, dass man auf dem richtigen Weg sei. Da sind gerade mal drei von 221 Lokalen im Wahlkreis 122 ausgezählt, SPD-Kandidat Brian Nickholz liegt vorne – und gibt die Führung tatsächlich auch nicht mehr ab.
SPD: „Nicht mehr diese ablehnende Haltung“
Doch auch das Stadt-Ergebnis der SPD ist für die Parteivorsitzende Babette Nieder ein Grund zur Freude: „Ich glaube, dass in der Bevölkerung dieses Gefühl ,Wir hatten zu lange SPD‘ vorbei ist. Die Leute kamen im Wahlkampf auf uns zu und haben sich für unser Programm interessiert. Da war nicht mehr diese ablehnende Haltung wie vor der Kommunalwahl 2020.“ Nun hoffe sie auf eine Regierungsbildung unter Olaf Scholz, damit ein Altschuldenfonds komme.
Bitter, so Nieder, sei das starke Abschneiden der AfD in Herten. Sie führt es darauf zurück, dass viele Menschen wegen allgemeiner Unzufriedenheit oder aus Frust über die Corona-Maßnahmen AfD gewählt haben. Nieder: „Im Bund müssen jetzt die Themen Bildung und Soziales angepackt werden, damit die Stimmung besser wird.“
Grüne: „Können in Herten noch zulegen“
Das hinter dem Bundestrend liegende Ergebnis der Hertener Grünen kommentiert die SPD-Chefin mit einer Spitze: „Man traut ihnen die Bewältigung des Themas Klimaschutz offenbar noch nicht zu.“
Tatsächlich ist die Hertener Grünen-Vorsitzende Martina Herrmann im Gespräch mit unserer Zeitung nicht in Jubel-Laune: „Ich bin recht zufrieden, aber wir können in Herten noch zulegen.“ Die teils sehr guten Ergebnisse, etwa in Scherlebeck, würden getrübt durch das starke Abschneiden der AfD. Mit Blick auf Berlin hoffe sie, dass es eine Koalition mit grüner Beteiligung geben wird, und ist zuversichtlich gestimmt: „SPD und CDU wollen nicht mehr miteinander. Ich erwarte, dass die Grünen gefordert sein werden.“
AfD: „Viel Zuspruch von Migranten“
Apropos AfD: Sie landet in Herten knapp hinter den Grünen, ist in einigen Wahlbezirken – zum Beispiel Kita Sternschnuppe in Westerholt – aber zweitstärkste Kraft noch vor der CDU. AfD-Vorsitzender Dietmar Weinhardt: „Ich freue mich über den Zuspruch für unsere konsequente Politik in Herten. Wir machen deutlich, dass wir uns vorrangig für die Menschen verwenden, die bereits in Deutschland leben und unsere Gesellschaft mitgestalten.“ Damit meint Weinhardt ausdrücklich auch die schon lange in Deutschland lebenden Migranten: „Wir erfahren viel Zuspruch von Menschen mit Migrationshintergrund. Viele lehnen die Altparteien ab, weil sie es in den letzten Jahrzehnten mit der Integration der Gastarbeiterkinder nicht ehrlich gemeint haben.“
CDU: „Ergebnis ist ein herber Schlag“
Für die CDU teilt Vize-Fraktionsvorsitzender Matthias Waschk mit, dass man vom Wahlergebnis in Herten und im Bund enttäuscht sei: „Das Ergebnis ist nach 16 erfolgreichen Jahren der Ära Merkel ein herber Schlag. Klar ist aber auch: Aus dem knappen Vorsprung der SPD lässt sich kein Anspruch auf eine SPD-geführte Bundesregierung ableiten. Die Hertener CDU unterstützt Armin Laschet, der vor der Aufgabe steht, eine Regierung unter der Führung der Union zu bilden.“
Waschk: „Das Abschneiden der CDU in Herten ist eine Enttäuschung. Trotz eines intensiven Wahlkampfes mit einem überzeugenden Kandidaten Lars Ehm liegen wir sehr deutlich auf Platz 2. Hier zeigt sich der negative Bundestrend. Wir gratulieren Brian Nickholz, dem Gewinner im Wahlkreis 122.“
FDP: „Zahlen in Herten sind zufriedenstellend“
Durchaus zufrieden zeigt sich Vorsitzender Carsten Balzk mit dem Abschneiden der FDP – sowohl auf Bundesebene als auch in Herten: „Dass wir im Bund zweistellig sind, freut mich besonders, aber auch die Zahlen in Herten sind zufriedenstellend.“ Sorge bereitet dem FDP-Stadtverbandsvorsitzenden das starke Abschneiden der AfD.
Linke: „Müssen uns schnell neu aufstellen“
Besonders enttäuscht ist Stefan Springer, Sprecher der Linken in Herten: „Das Ergebnis ist absolut deprimierend, aber leider auch ein Resultat des mangelhaften Wahlkampfes. Ich hoffe, es führt zu deutlichen Konsequenzen bei der Bundespartei. Schon jetzt ist klar, dass wir uns für die anstehende Landtagswahl schnell personell und taktisch neu aufstellen müssen. Mir tut es vor allem für unsere Kandidatinnen Ulrike Eifler und Lisa Ellermann leid. Beide haben im Kreis viel Einsatz gezeigt.“