
Die Dimension ist beeindruckend und von der Zuwegung mit dem Auto überhaupt nicht abschätzbar. Rund eine Million Kubikmeter Wasser fasst das riesige Hochwasserrückhaltebecken der Emschergenossenschaft (EG) in Dortmund-Mengede, das beim vergangenen Starkregen ganze Arbeit geleistet hat und randvoll gewesen ist. So konnten die enormen Mengen gestaut und mithilfe eines zweiten Beckens weiter oben im Emschergebiet (dieses fasst noch einmal 650.000 Kubikmeter) kontrolliert weiter in Richtung Castrop-Rauxel, Herten und Recklinghausen geführt werden. Mehr als 60 Millionen Euro wurden dort investiert.
Intensität der Starkniederschläge wird zunehmen
Der Bereich ist ein Paradebeispiel dafür, was bei Naturkatastrophen wie Tief „Bernd“ gegen Überflutungen helfen kann. „Die Wasserwirtschaft hält alle gesetzlichen Vorgaben zur Hochwasservorsorge ein und geht mit dem Schutzniveau zum Teil deutlich über diese Vorgaben hinaus. Aufgrund des Klimawandels und der zunehmenden Intensität der Starkniederschläge reicht das aber zukünftig nicht aus“, fasst Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der EG, zusammen.

Viele versiegelte Flächen im Ruhrgebiet
Aufgrund der besonderen Situation im Ruhrgebiet mit einer hohen Bevölkerungsdichte, dem hohen Grad an versiegelten Flächen, einem enormen Schadenspotential und der Belastung durch Bergsenkungen sieht der Chef des Wasserwirtschaftsverbandes weiteren Handlungsbedarf. Denn die Flüsse brauchen einfach mehr Platz. Die Lippe im Norden des Kreises Recklinghausen untermauert dies. Denn dort ist die Gefahr der Überflutungen aufgrund der vielen Auen weitaus geringer als weiter südlich. Schließlich kämen auch die 130 Pumpwerke der EG irgendwann an ihre Leistungsgrenzen. Im 800 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet der EG stünde man darüber hinaus vor der Herausforderung vieler Senkungsbereiche durch den Bergbau. Diese seien bis zu 25 Meter tief. Und dazu zählt bekanntlich zum großen Teil auch das Vest Recklinghausen.
Rückhaltevolumen von 2,8 Millionen Kubikmeter Wasser
Im Emscher-Gebiet verhinderten in der vergangenen Woche auch die 22 Hochwasserrückhaltebecken der Emschergenossenschaft, die ein gesamtes Rückhaltevolumen von 2,8 Millionen Kubikmeter Volumen haben, Schlimmeres. Obwohl Castrop-Rauxel in vielen Bereichen betroffen war. Auf den Kreis Recklinghausen fällt dabei ein Volumen von immerhin 1.252.000 Millionen Kubikmeter bei der EG und 282.000 Kubikmeter beim Lippeverband (in Datteln, Marl und Dorsten). Dennoch war das System Emscher laut Grün noch nicht am Limit, lediglich bei den Nebenläufen sah dies anders aus.


Auch die besten Systeme kommen an ihre Grenzen
„Die dramatischen Hochwasserereignisse im Bergischen Land und in linksrheinischen Katastrophengebieten zeigen auch, dass langsam ziehende Starkniederschlagsgebiete Niederschläge auch über 200 mm am Tag verursachen. Auch die besten technischen Systeme können derartige Niederschläge nicht aufnehmen und abführen“, so Vorstandsmitglied Dr. Emanuel Grün, der u. a. den Technikbereich verantwortet.
Ulrich Paetzel plädiert für neue Form des Städtebaus
Was heißt das im Detail für die Zukunft? Für Ulrich Paetzel müsse sich in den Städten eine neue Form des Städtebaus etablieren, die dem Prinzip der „Schwammstadt“ folgt: Entsiegelung von befestigten Flächen, die Schaffung „multifunktionaler“ Flächen, zum Beispiel von Sportplätzen, die im Bedarfsfall geflutet werden können oder der Bau von Gründächern und Fassadenbegrünungen. Und auch eine optimierte Kanalnetzsteuerung könnte eine Möglichkeit sein, indem große Wassermengen gezielt in Bereiche gesteuert werden, die in den dann aktuellen Fällen weniger Wasser führen und somit quasi freie Kapazitäten hätten.

Denn, so Paetzel, leider gebe es kein Vorkaufsrecht der Wasserverbände für große landwirtschaftliche Flächen. Doch diese brauchen EG und LV für den Schutz. Mittlerweile gehören dem Unternehmen rund 2000 Hektar Flächen. „Wir kaufen oftmals schon auf Vorrat, um beispielsweise Flächen zu tauschen“, sagt der Vorstandsvorsitzende. Im Lippegebiet sei dies noch möglich, an der Emscher wegen der engen Bebauung nicht. Allerdings gibt es ein Vorbild für etwa 40 Kilometer Emscher an der Versuchsstrecke Deusen, wo auf einer Länge von gut 2000 Metern trotz wenig Raum deutlich wird, wie sich ein Gewässer ökologisch gut entwickeln kann.
Hausbesitzer in der Eigenverantwortung
Aber bei den heftigen Niederschlägen können nicht nur kurzzeitig Straßen, Gehwege und Grundstücke überflutet werden, weil die Wassermassen nicht so schnell in die Kanalisation abfließen können. Durch Starkregen kann sich auch ein Rückstau aus dem Kanalnetz in die Anschlussleitungen von Häusern bilden. Wenn es dann keine entsprechende Sicherung in den Gebäuden gibt, besteht das Risiko, dass Abwasser aus allen Öffnungen, die tiefer liegen als die Straßenoberkante, wie Waschbecken, Abläufe oder Toiletten in Keller und Souterrainwohnungen dringt. Helfen können da beispielsweise Rückstauklappen, die nicht in allen Kellern verbaut sind. Mit der „FloodcheckApp“ (Playstore von Google oder Appstore von Apple) kann man übrigens schnell checken, ob sein Haus oder seine Wohnung in einem Risikogebiet liegt.
Info
Das Emscher-Gebiet hat eine Einzugsgebietsgröße von 865 km², von denen 327 km² Polderflächen sind – also bergbaubedingt abgesackte Bereiche, die künstlich entwässert werden müssen. Mehr als die Hälfte des Gebiets, nämlich 62 Prozent sind versiegelt.
Seit 1992 plant und setzt die Emschergenossenschaft in enger Abstimmung mit den Emscher-Kommunen das Generationenprojekt Emscher-Umbau um, in das über einen Zeitraum von rund 30 Jahren knapp 5,5 Milliarden Euro investiert werden.